Oft nur Placebo-Wirkung
Häufig hat die Sauerstoffgabe eine Placebo-Wirkung, der Patient fühlt sich beruhigt, wenn der Schlauch bzw. die Nasenbrille reinen Sauerstoff in die Nase pustet. Wirksam ist das nicht. Es nimmt einem nicht die belastende Luftnot. Zwar kann die Ursache der Luftnot tatsächlich ein Sauerstoffmangel sein. Ausgelöst wird sie aber durch die erhöhte Atemarbeit, die z.B. bei einem Asthma-Anfall geleistet werden muss.
Man darf sich das so vorstellen, als müsse man durch einen Strohhalm atmen. Das ist durchaus ausreichend, um das Blut mit Sauerstoff zu sättigen. Es ist aber anstrengend. Durch diese Anstrengung nehmen wir die Atmung bewusst wahr, da wir sie mit zusätzlicher Kraft ja unterstützen müssen. Das macht uns Angst, löst Panik in uns aus. Eine Sauerstoffgabe bringt aber nichts, weil sich der Sauerstoff nur in den Bronchien verteilt und nicht ins Blut aufgenommen wird. Damit er sich in die Lungenbläschen verteilt, ist es also nötig, dass er wieder kraftvoll eingesogen wird. Die Atemnot bliebe bestehen.
Sinnlos: Getränke mit Sauerstoff angereichert
Es ist auch rätselhaft wie mit Sauerstoff angereicherte Drinks die Leistung und das Befinden bessern sollen, da ja genug Sauerstoff in der Luft ist. Ganz unabhängig von der Frage wie er denn aus der Flasche beim Trinken in die Lungenbläschen kommen soll. Aber Marketingtechnisch genießt Sauerstoff einen hervorragenden Ruf. Er bedeutet Leben. Aber auch nur in Maßen. Das ist genau wie beim Wasser. Wasser bedeutet auch Leben, trotzdem würde man darin ertrinken. Die Menge macht’s eben. Und die ist in der Regel ausreichend.
Es gibt aber eine ganze Reihe von Erkrankungen, die einen richtigen Sauerstoffmangel hervorrufen. Dazu muss man sich einmal die Anatomie der Lunge vor Augen führen. Wir atmen Luft über die Bronchien in die Lungenbläschen. Die Bronchien sind als Wege, die Bläschen als Zimmer zu verstehen. In den Lungenbläschen findet der Gasaustausch statt, d.h. Sauerstoff wird aufgenommen und Kohlendioxid abgeatmet. Die Bläschen (Alveolen genannt) sind mit Blutgefäßen umkleidet, der Weg für den Sauerstoff ins Blut ist hier am kürzesten. Der Sauerstoff diffundiert hier ins Blut und steht dem Körper zur Verfügung.
Sinnvoll, wenn der Gasaustausch gestört ist
Bei vielen Lungenerkrankungen ist der Gasaustausch empfindlich gestört. Dies trifft zum Beispiel bei der Lungenentzündung zu. Eitriges Sekret liegt in den Alveolen, so dass zwischen Luft und Blutgefäß eine deutlich vergrößerte Barriere besteht. Der Sauerstoff hat einen weiteren Weg und gelangt schlechter ins Blut. Hier macht eine Sauerstofftherapie Sinn. Mit größerem Angebot steigt die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme ins Blut.
Beim Lungenemphysem liegt ein anderes Problem vor. Z.B. durch chronisches Rauchen werden die Wände der Lungenbläschen zerstört. Sie vereinigen sich zu größeren Blasen. Die Kontaktfläche zwischen Luft und Blut nimmt aber dramatisch ab. Es kann mit einem Atemzug weniger Sauerstoff aufgenommen werden, so dass schneller geatmet werden muss. Das hat zur Folge, dass die Atemarbeit steigt. Nicht nur kurzfristig müssen die Patienten mit der Luftnot leben. Langfristig hilft nur die Sauerstofftherapie, wenn gewisse Grenzwerte erreicht werden. Da die Atemanstrengung nur mäßig abnimmt, steigt irgendwann auch der Kohlendioxid-Gehalt im Blut und die Atemmuskulatur muss durch eine nächtliche Maskenbeatmung entlastet werden.
Viele Erkrankungen gehen mit der Störung der Atmung einher. Neuromuskuläre Erkrankungen wie ALS, bei denen die Kraft verloren geht, brauchen schon frühzeitig eine nächtliche Beatmung. Bei den Patienten hilft kein Sauerstoff, da die Lunge ja funktioniert, nur die Kraft fehlt, richtig tief einzuatmen. Daher brauchen sie eine Unterstützung der Atemmuskulatur und keinen Sauerstoff.